Hobby „Musik“

Als Kind habe ich schottische Dudelsäcke gehört und war begeistert. Jahre- bis jahrzehntelang waren Dudelsäcke etwas Exotisches. Aber irgendwann stellte ich auf Mittelaltermärkten fest, dass Dudelsäcke gar nicht so weit entfernt sind, sondern in greifbarer Nähe liegen. Anfang 2012 entschied ich, dass ich ausprobieren möchte, wie ein Bordun-Instrument zu spielen ist. Im Frühjahr war ich bei Schelmish (r. i. p.) und durfte einen Marktsack ausprobieren. Das Ergebnis war ernüchternd: der Sack hat mich aufgeblasen, anstatt ich ihn.

Also habe ich mir Anfang 2012 ein Hümmelchen gekauft. Im Herbst 2012 war ich auf einem Workshop und konnte nochmal einen Marktsack ausprobieren. Nach einem halben Jahr Hümmelchen kam ich mit dem Instrument prima klar. Im Dezember 2012 habe ich mir einen gebrauchten Marktsack (Hersteller: Jens Güntzel) gekauft, auf dem ich leidenschaftlich gern gespielt habe.

Schifffahrtsmuseum Husum
Im Schifffahrtsmuseum Husum kannst Du ein Hümmelchen sehen, das vor 400 Jahren gespielt wurde. Im Herbst 2018 habe ich mir es angesehen.
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Im Frühjahr 2015 war ich auf einem Baukurs bei Christian Dreier und habe mir einen Kammerdudelsack gebaut.
Bei dieser Gelegenheit kaufte ich mir einen zweiten Dudelsack in Tief-C. Die anderthalb Meter langen Bordune von Tief-C waren *exakt* das, was ich an Dudelsäcken so liebe: sonor, durchdringend, präsent. Also bin ich mit zwei Dudelsäcken nach Hause gefahren. Denn jeder Piper weiß:

Dudelsäcke sind Rudeltiere.

Im September 2016 kam mein Sohn auf die Welt. Dann war es mit Dudelsack-Spielen erstmal vorbei. Ich konnte nicht mehr regelmäßig üben, und das hat man deutlich gehört. Es ist auch eine Frage der Lautstärke; die großen Säcken brummen irgendwo bei 100 db. Wenn ein Kind in der Nähe ist, geht das nicht. Also habe ich im Herbst 2019 / Frühjahr 2020 meine zwei großen Dudelsäcke wieder verkauft. Seither konzentriere ich mich auf den Kammerdudelsack.

Christian Dreier hat mir im Januar 2020 eine Hümmelchen-Spielpfeife aus Grenadil dazu gefertigt. Die Spielpfeife tönt beim tiefen C bei 75 db, beim hohen D bei 85 db. Das ist zu laut, um ohne Gehörschutz zu spielen. Aber es ist realistisch, damit zu spielen, ohne die Nachbarn zu belästigen. 

Die deutlich leisere Spielpfeife aus dem Baukurs nehme ich, wenn ich mit meinem Sohn Musik mache. Er liebt es, wenn ich seine Kinderlieder auf dem Dudelsack spiele: den Bi-Ba-Butzemann oder auch „Kuckuck ruft’s aus dem Wald“.

Im Corona-Winter 2020 / 2021 war es nicht möglich, meine Eltern, die damals noch weit weg in der Nähe von Karlsruhe gewohnt haben, zu besuchen. Ich habe ihnen daher jede Woche im Advent ein Weihnachtslied aufgenommen. Dabei bin ich irgendwann an meine Grenzen gestoßen. Beispielsweise lässt sich „Stille Nacht, heilige Nacht“ nicht auf einer Standard-Pfeife spielen. Es fehlen zwei Töne. Naja, der geringe Tonumfang einer None ist ein Problem, mit dem ich immer wieder zu kämpfen habe. Also habe ich mehrere Dudelsackbauer gefragt, ob sie Säcke mit Klappen fertigen.

Ich habe die Angebote von Jürgen Ross und Andreas Rogge in die engere Wahl gezogen. Letztlich habe ich mich entschieden, einen neuen Sack bei Andreas Rogge in Auftrag zu geben. Den Ausschlag haben folgende Punkte gegeben:

  • Andreas Rogge hat den Sack ohne Aufpreis in Grenadil gefertigt.
  • Mein Lehrer hat gesagt: „Niemand hat den Dudelsackbau so durchdrungen wie der Rogge“
  • Es gibt diesen sehr sympathischen Film über Andreas Rogge auf YouTube.

Den Sack konnte ich im Februar 2022 in Empfang nehmen. Es handelt sich um ein dreiborduniges Dudey mit zwei Spielpfeifen – eine in C und eine in D. Die beiden Spielpfeifen haben Klappen, um den Tonumfang nach oben um zwei Töne zu erweitern. Nach unten sind sie erweitert, um jeweils einen Ton tiefer zu spielen. Bei der C-Spielpfeife sind die tiefsten Töne also das H und das B. Damit kann ich beispielsweise „Bunt sind schon die Wälder“ in F-Dur oder „Ihr Kinderlein kommet“ in C-Dur spielen. Das war mir deswegen wichtig, weil ich die meisten Lieder in F-Dur oder C-Dur notiert habe. Die Klappen, die den Tonraum nach oben erweitern, spielen bei der C-Pfeife D und Es. Ich kann also unter anderem die Tonart B-Dur spielen. B-Dur braucht einen Bordun in F – und den hat der Dudey. Daher habe ich „Stille Nacht“ nach B-Dur transponiert. Das Lied passt nun wunderbar und ohne Kompromisse in den Tonumfang der Spielpfeife.

Tatsächlich hat es ein halbes Jahr gedauert, bis ich mit dem Dudey warm geworden bin. Die ersten Wochen waren extrem enttäuschend, und ich wollte das Instrument schon weiterverkaufen. Einige Monate später habe ich die Besonderheiten der Spielpfeifen ansatzweise verstanden. Zunächst verwendet Andreas Rogge cane reeds, die sich anders spielen als Kunststoff-Rohrblätter. Ich muss sie erst mit Atemluft „anfeuchten“, bis sie so klingen, wie sie sollen. Außerdem reagieren sie sehr viel empfindlicher auf Druckschwankungen. Und da die Rohrblätter eher weich eingestellt sind, klingen einige Töne deutlich leiser als die anderen. Was ich aber gewonnen habe, ist ein absolut klarer, wunderschöner Klang. Ich bin mittlerweile so weit, dass ich den Druck im Sack halbwegs konstant halten kann. Und dann klingt das Dudey mit einer wirklich wundervollen Stimme. Für kein Geld würde ich dieses Instrument weiterverkaufen.

Vermutlich hatte der Sack von Christian Dreier seinen letzten öffentlichen Auftritt bei der Taufe meiner Tochter im Mai 2022.

Tatsächlich ist der Traum von einem Praetorius Bock aus der Werkstatt von Jürgen Ross noch nicht ausgeträumt. Auch hier sind Klappen möglich. Ich habe Jürgen im Frühjahr 2022 bei den Borduntagen im Osnabrücker Land kennengelernt.