2021-02-13 Wo stelle ich meine Bienen hin?

Im Internet habe ich gelesen:

Imkerei ist Landwirtschaft ohne Boden.

Vergleicht man die Imkerei mit beispielsweise der Milchwirtschaft ist das sicher richtig. Dennoch muss ich irgendwo meine Völker aufstellen. Pro Volk, also pro Beute, muss ich den Platzbedarf einer halben Euro-Palette einkalkulieren. Wenn ich mit drei Völkern anfange, brauche ich vorweg den Platz von anderthalb Euro-Paletten. Also: ganz ohne Boden geht es doch nicht.

Und jetzt stellen sich zwei Fragen:

  1. Ist der Standort für Bienen geeignet?
  2. Gibt es Ärger mit Nachbarn oder Passanten?

Zu 1):
In einigen Büchern habe ich beispielsweise folgende Ratschläge gelesen: sonnig, windgeschützt, nicht in Senken, Flugloch Richtung Süden ausrichten usw. Sehr ausführlich geht Alois Spanblöchel auf die Standort-Frage ein (Seiten 18f. und 26 f.). Er beschreibt den idealen Standort wie folgt (S. 27):

Der Standort ist eine Wiese mit Obstbäumen an einem leicht nach Süd oder Südost abfallenden Hang. Das Grundstück grenzt an einen Wald (Nadel- oder Mischwald). Am Waldrand wachsen verschiedene Sträucher und Stauden (… gekürzt …). In der Nähe befindet sich eine Wasserstelle (natürliche Tränke).

Es ist klar, dass es diesen idealen Standort nicht für alle Imker und erst recht nicht für alle Völker gibt. Haben alle anderen Imker also Pech gehabt? Ich denke nein – Honigbienen können in nahezu allen Regionen unserer Erde überleben und dort wohl auch gut gedeihen. Die Pia Aumeier ist in dieser Frage ziemlich entspannt:

Ganzjährig stehen meine Völker ungeschützt in der prallen Sonne oder im Dauerschatten, in feuchten Senken und auf zugigen Hügelkuppen. Sie stehen unter Stromleitungen, Handy- und Hochspannungsmasten sowie unter Windrädern – und sind quietschfidel. Die Fluglöcher zeigen in alle Himmelsrichtungen.

Quelle: https://www.bienenjournal.de/pias-imkerwelt-4/standortwahl-fuer-bienenvoelker/

Mein Fazit zu 1)
Ich gehe im Moment davon aus, dass die Bienen, die einen Flugradius von 3 Kilometern haben, sich selbst am besten versorgen können. Die Argumentation von Pia überzeugt mich.
Etwas anderes ist jedoch wirklich ein Muss-Kriterium: die Möglichkeit, den Standort mit dem Auto anzufahren. Ich habe schon jetzt als Neu-Imker die Erfahrung gemacht, dass ich viel und schwer schleppen muss. Je näher das Auto steht, umso besser.
Möglicherweise könnte es hilfreich sein, wenn die Bienen in der Nähe von Frühblühern (z. B. Salweide) stehen: Bienen, die den ganzen Winter im Stock gesessen sind, wollen keine drei Kilometer zur nächsten Salweide fliegen.

Zu 2):
Der Grundsatz ist, dass ich meine Bienen überall dorthin stellen darf, wo ich möchte – vorausgesetzt ich bin Eigentümer des Grundstücks oder habe die Zustimmung des Eigentümers.

Dennoch sind unschöne Gegebenheiten denkbar: der Nachbar fühlt sich belästigt. Oder ein Passant wird gestochen. Wenn Du im Internet nach „Grenzabstand Bienen“ suchst, findest Du eine Vielzahl von Beispielen, bei denen es um Ärger mit Bienenhaltung geht. Und tatsächlich hatte ich den Terz ja selbst mit meinem Nqchbarn.

Am Einführungstag haben wir für den störungsfreien Standort folgenden Kriterienkatalog kennengelernt:

Je nach Bebauungsdichte, örtlichen Gegebenheiten und Bewertung der örtlichen Lage (stadtnah oder ländlich, Wohn- oder Industriegebiet)

  •  
  • können für einen Garten max. zwei Völker je 200 m² Fläche akzeptiert werden,
  • sollte auf Gartenflächen kleiner 200 m² Bienenhaltung vermieden werden,
  • sollte die Gesamtzahl der Völker unter acht liegen,
  • sollte zum Nachbargrundstück ein Mindestabstand von etwa 3 m eingehalten werden.
  • Der Abflug der Bienen darf nur über das Grundstück des Imkers erfolgen.
  • Die Anpflanzung von Hecken oder Sträuchern sollte die Bienenstände abschirmen und abfliegenden Sammlerinnen zwingen, schnell an Höhe zu gewinnen. Auch heimkehrende, ermattete oder schwer beladene Bienen, sollten den Gartenbereich des Nachbarn nicht als Raststätte nutzen können.
  • Im eigenen Garten sollte den Bienen eine Tränke angeboten werden, damit nicht der Nachbarteich hierzu genutzt wird.
  • Der Imker sollte sanftmütige und schwarmträge Bienenherkünfte pflegen.

Ich war zunächst irritiert, weil dieser Kriterienkatalog das „Aus“ für mein Imker-Projekt wäre – vermutlich wäre die Nebenerwerbs-Imkerei insgesamt am Ende, wenn so strenge Maßstäbe an den Standort gerichtet werden: Wenn auf 200 qm maximal zwei Völker stehen sollen, und acht Völker pro Garten angemessen sind, brauche ich 800 qm, um acht Völker zu betreuen. Das entspricht der Größe eines Handball-Spielfeldes – und das ist eine Menge Platzbedarf. Diesen Platz werden die wenigsten Hobby-/Nebenerwerbs-Imker haben. Tatsächlich bin ich mit meiner Skepsis nicht allein. Im Internet schreibt ein Rechtsanwalt und Imker unter Bezugnahme auf den Mühlen-Katalog:

Sofern eine wesentliche Beeinträchtigung festzustellen ist (dies ist nur von einem Sachverständigen, nicht von einer Baubehörde möglich), kommt es darauf an, ob eine Duldungspflicht besteht. Diese besteht dann, wenn die Bienenhaltung ortsüblich ist. Dies ist in allen Gegenden Deutschlands, auch in Städten mit verdichteter Bebauung mittlerweile zu bejahen.

Was also hat es mit besagtem Kriterienkatalog zu tun? Er wurde von Herrn Mühlen. dem ehemaligen Leiter des Bieneninstituts der Landwirtschaftskammer NRW formuliert:

Herr Mühlen leitet den Kriterienkatalog mit diesen Worten ein:

Je nach Bebauungsdichte, örtlichen Gegebenheiten und Bewertung der örtlichen Lage

Es kommt also auf die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort an. Ob durch die Bienenhaltung für den Nachbarn objektiv eine Beeinträchtigung besteht, kann in einer Großstadt wie Köln anders gesehen werden als auf dem Land. Ich persönlich verstehe die Auflistung der Punkte so, dass ein objektiver Dritter (der Zivilrichter) nur schwer eine Beeinträchtigung annehmen kann, wenn alle diese Punkte eingehalten werden. Möglicherweise wird ein objektiver Dritter auch dann keine Beeinträchtigung annehmen, wenn mehr als acht Völker auf einem Handballfeld stehen.
Dennoch sollte der Kriterienkatalog durchaus zur Diskussion und zum Nachdenken anregen: was würde ich von meinem Nachbarn erwarten? Die Vorstellung, dass mein Nachbar seine Völker direkt an die Grundstücksgrenze stellt, gefiele mir auch nicht. Wenn seine Bienen in geringer Höhe über mein Grundstück fliegen, wäre mir das auch nicht recht. Und jetzt greift die „Goldene Regel“:

Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.

Also stelle ich meine Völker mit deutlichem Abstand zur Grundstücksgrenze auf. Und ich sehe zu, dass ich keine Massentierhaltung im Vorgarten aufbaue. Kurz gesagt: ich möchte vor mir selbst sicher sein, dass niemand Anstoß an meiner Imkerei nimmt.

Mein Fazit zu 2)
Das Wort von Herr Mühlen hat Gewicht. Dennoch finde ich mich in seinem Kriterienkatalog nur bedingt wieder. Ich glaube sogar, dass der Katalog im Internet für Irritation sorgt. Mich interessieren beispielsweise folgende Fragen:

  • Was hat Herrn Mühlen motiviert, den Kriterienkatalog in der gegebenen Form zu formulieren?
  • Welche Erfahrungen und welche Gedanken stehen dahinter?
  • Wie wird dieser Kriterienkatalog in der Praxis verwandt?
  • Der Kriterienkatalog wurde vor 2011 entwickelt – würde er ihn heute genauso formulieren?
  • Wie sieht es in anderen Bundesländern aus? Welche Kriterien gelten dort?
  • Welche Regionen und welche regionalen Unterschiede lassen sich ausgehend von der Einleitung identifizieren?

Ich habe der Landwirtschaftskammer diese Fragen vorgelegt – leider, bzw. erwartungsgemäß, hat man sich nicht genötigt gesehen, mir zu antworten. Auch für ein Interview für dieses Tagebuch stand niemand zur Verfügung.